Desert Run

WÜSTENLÄUFE: REINHOLD HUGO IM INTERVIEW

Markus Roth stellte Reinhold Hugo Fragen zum Marathon des Sables und Wüstenläufen allgemein: 

Der Marathon des Sables
Ort: Sahara Wüste
Land: Marokko
Termin: 8-17 April (Race war vom 9.-15.04.)
Teilnehmer: 1200 Total, davon 233 Frauen
Finisher in %: 89
Nationen: 53
Nation mit den meisten Teilnehmern: England (423 Teilnehmer) vor Frankreich
Anzahl SchweizerInnen: 25
Kosten: ca. 4000 Euro (Flug ab Paris nach Quarzazate plus das Startgeld zum MDS)


1. Reini, wir alle kennen den Lauf irgendwie „flüchtig“vom „Hörensagen“. In Kürze, was macht ihn so speziell, wie sind die Distanzen, 
deine Gesamtzeit, das Gelände und die Temperaturen?

Der Lauf geht über 6 Etappen und ist verteilt auf 7 Tage. Die Distanzen sind von 31km bis 86km und die gesamte Distanz war in diesem Jahr 237km. Das Gelände variierte sehr von ausgetrockneten Flussbetten zu steinigen Abschnitten und natürlich sehr sehr viel Sand. Auch haben sich die Höhenmeter durch die Läufe über die Dünen kumuliert. Auf der langen Etappe haben wir auf den 86km über 1000 Höhenmeter gemacht. 

Wir hatten zum Glück fast immer Wind und so waren die Temperaturen einigermassen erträglich. Diese waren im Bereich von 35-40Grad.

Meine Gesamtzeit war 28h 43min.

Drei Sachen machen für mich diesen Lauf speziell:

-Autonomie. Ausser Wasser (welches rationiert ist) und dem Zelt wird nichts gestellt. D.h, du musst vom Essen zur Kleidung zum Schlafsack etc. für die Woche alles selber mittragen. Da musst du genau achten was du einpackst und vor allem wie schwer das ist.

-Komfortzone. Du wirst automatisch deine Grenzen spüren. Sei es durch die Hitze, durch die Distanz oder die eher knappen Kalorien. Du musst bereit sein deine Komfortzone zu verlassen, nur so kannst du es schaffen.

-das Kollektive. Du bist zu 8 pro Zelt untergebracht und es ergeben sich automatische Aufgaben. Der erste im Zelt muss die Steine unter dem Teppich wegräumen, Holz holen etc.etc. Essen wird geteilt falls jemand in der Not ist und jeder hilft irgendwie dem anderen. Auch ist der Austausch mit den Spitzen-Läufern sehr gut. Rachid Elmorabity, der spätere Sieger hat mir sogar noch eine Woche vor dem Race Bilder geschickt, wie er den Rucksack packen wird. 

2. Wo und wie hast du geschlafen, wie hast du dich ernährt?

Geschlafen wurde in Zelten (Teppich mit einer Blache überdeckt) zu 8 Personen. In der Nacht wurde es ziemlich kühl (ca. 8 Grad) und ich war froh über einen guten Schlafsack und einer dünnen Isomatte zu verfügen. Bezüglich Ernährung musste jeder ein Minimum von 14’000 Kalorien aufweisen, also min. 2000 pro Tag. Ich hatte durch meine Erfahrung am Oman Marathon dies erhöht auf 3200 Kalorien im Durchschnitt. Am Feuer haben wir Wasser aufgekocht und dies dann in die fertige Outdoornahrung gemischt. In der Früh gab es Porridge mit The, während dem Race kohlenhydratreiche Getränke, Gels und Nüsse. Danach den "Recovery Drink" mit einem Riegel und am Abend Spaghetti mit einem Energieriegel.

3. Du hast dich sehr sehr weit vorne klassiert, je nach Etappe warst du zwischen dem 32. und 99. Rang klassiert....am Schluss 54. overall, ein super Erfolg, oder? Wie verlief das Rennen aus der Sicht deiner Muskulatur, deines Kopfes und des gesamten Organismus?

Mein primäres Ziel war es das Ziel zu erreichen. Mein Traum war es die lange vierte Etappe mit den 50 Besten zu starten.

Ich bin die erste Etappe sehr kontrolliert angegangen und wurde Overall 32er. Auf der zweiten und dritten Etappe versuchte ich die Top 50 zu halten, aber auch Kraft und Energie für die vierte Etappe mit den 86 km zu sparen. Auf der dritten Etappe bekam ich starke Knieschmerzen jeweils beim Runterlaufen und auf einmal war mein Ziel in die Ferne gerückt. Ich konnte jedoch beim Arzt behandelt werden und so die lange Etappe und den anschliessenden Marathon laufen, bzw marschieren. Das ich dennoch so weit vorne klassiert bin, macht mich sehr glücklich und sehr stolz. Es zeigt mir aber auch auf, was noch möglich gewesen wäre. Vieles passiert bei diesen Bedingungen und Distanzen im Kopf. Jeder wird müde, bekommt Blasen an den Füssen oder hat sonst muskuläre Probleme. Das musst du ausschalten können, sonst schaffst du es nicht.

4. Hast du dich mental speziell darauf vorbereitet so lange Distanzen in der Einsamkeit zu laufen?

Ich habe in der Vorbereitung viele Skitouren gemacht. Da in den Bergen auch nicht viele Leute sind, hat mir die Einsamkeit nichts ausgemacht. In der Wüste ging es zum Teil kilometerweise gerade aus und dies war sehr eintönig. Hierzu habe ich viele 35-40km Läufe auf dem Laufband absolviert, um mich daran zu gewöhnen.

5. Leider hast du dich während der grössten Etappe verletzt. War „Abbruch“ des Rennens ein Thema? Was ist genau passiert?

Ja, ich habe während der dritten Etappe starke Knieschmerzen bekommen und gegen Schluss der Etappe konnte ich das Knie nicht mehr durchstrecken. Da ging mir effektiv der Gedanke durch den Kopf, dass ich eventuell aufgeben muss. Viele Läufer haben mich dann motiviert die Etappe fertig zu laufen und ich war dann sehr froh im Ziel angekommen zu sein. Der Arzt diagnostizierte ITBS (Illiotibialband-Syndrom) und ich bekam einen Verband und eine Schmerztablette. Die Nacht war sehr schlecht, da ich bei jeder Drehung von den Schmerzen aufgewacht bin. So wusste ich nicht, was auf den 86km auf mich zukommt. Bis Posten 5 ging es kontrolliert sehr gut, aber dann liess die Wirkung der Tablette nach und die Schmerzen wurden wieder stärker. Danach konnte ich nur noch marschieren und der Gedanke es nicht zu schaffen war wieder im Kopf. Irgendwie in tiefer Trance bin ich dann nach 13h angekommen und konnte es nicht glauben, es geschafft zu haben. Der Rang war jetzt egal und ich musste nur noch den Marathon schaffen. Dies habe ich dann auch gemacht und so konnte ich finishen.

6. Waren die Motivationsschübe via „Social Media“  in die Wüste wichtig zum Durchhalten, oder hast du erst am Ziel davon erfahren?

Jeden Abend bekamen wir die eMails, welche über Facebook von den Freunden und Bekannten geschrieben wurden. Die E-Mails mit den Motivationsprüchen und den Glückwünschen waren einfach wunderbar und sehr emotional. Ich danke nochmal allen, welche mich unterstützt haben!

7. Wie viele Zehennägel blieben in der Wüste, wie viele Blasen mussten behandelt werden? Hast du im Rückblick den richtigen Schuh gewählt?

Die ersten 3 Tage waren perfekt und ohne Blasen. Am vierten Tag auf der langen Etappe bekam ich einige Blasen, da ich viel Marschieren musste. Ich dachte es sei schlimm, aber als ich im Arzt-Zelt die anderen Füsse der Läufer sah, dann hatte ich super Füsse. Die Schuhwahl, die Socken und die entsprechende Gamasche waren perfekt und haben viel dazu beigetragen, dass ich fast keine Probleme hatte.

8. Du hast dich akribisch auf diesen Lauf vorbereitet. Was war völlig anders als erwartet?

Ich hatte an zwei Tagen zuwenig Wasser. Dies jeweils auf den langen Etappen und ich war froh, dass ein Kollege vom Zelt mir etwas Wasser abgegeben hat.

9. Marathon des Sables ist wohl nur etwas für wirkliche top Läufer. Als Vorbereitung hast du letztes Jahr den „Desert Run“ ein „soft-Wüsten-Etappenlauf“  als Reiseleiter begleitet.  Was macht das Erlebnis in der Wüste zu laufen so speziell?

Der Desert Run im letzten Jahr war für mich eine super Vorbereitung. Die Strecken sind nicht so lang und es gibt nur wenige Bereiche, wo über Sand gelaufen wird. Auch wird ohne Rucksack gelaufen, da Getränke und Essen gestellt werden. Mir gefällt die Kultur und Gastfreundschaft in Marokko. Speziell ist es auch durch den Sand in den Dünen zu laufen und die Einsamkeit und Stille zu geniessen, wenn du in der Nacht die hellen Sterne beobachtest.

10. Du hast dich im letzten Oktober anlässlich unserer „Desert-Run“ Soft Adventure – Reise, die wir ja auch dieses Jahr wiederum durchführen ein Bisschen auf’s „Wüstenlaufen“ eingestimmt und das eine oder andere testen können. War das hilfreich, waren einzelne Etappen in der gleichen Umgebung wo auch der Desert Run stattgefunden hat?

In Punkto Schuhe, Gamaschen und Kleider konnte ich sehr wertvolle Erfahrungen sammeln. Der MDS findet jedes Jahr in einer anderen Region statt und wir liefen in diesem Jahr auf der letzten Etappe nach Merzouga, dies liegt in der Nähe von der Region wo wir am Desert Run gelaufen sind.

11. Gibt es eine 2. Teilnahme an diesem Lauf? Welches wird dein nächstes Rennen sein?

Im Moment sehe ich von einer zweiten Teilnahme in Marokko ab. Eventuell nehme ich 2018 am neuen Marathon des Sables in Peru teil. Mein nächstes Rennen, sofern es mit dem Knie besser geht, wird der 100 km in Biel sein und dann eventuell der Swiss Alpine in Davos.

12. Vielen Dank Reini!

Bitte gerne.